Ein Auge in der Luft, eine Spürnase am Boden

Bei der Suche von Menschen, die sich verirren oder verlaufen, arbeiten Tier, Technik und Mensch eng zusammen. Fliegende Drohnen mit Kameras über weiten Feldern und zerklüfteten Felsen, schnüffelnde Rettungshunde im Unterholz und Wald. Seit über einem Jahr mit Erfolg.

Reportage: Dagmar Wurzbacher
Bilder: Andrea Derungs

Wird der Alarm ausgelöst, inspiziert Iwan Kobi sein Material. Der Rucksack steht stets gepackt bereit. Funkgerät, Karten, Lineal, Kompass, GPS, Abseilmaterial, Wasser, Snacks. Und für Dara Leckereien, die orangefarbene Schabracke, eine Satteldecke für Hunde, die der Rettungshündin anzeigt, wann die Arbeit losgeht, und Spielzeug. 25 Plüschtiere besitzt die Labradorhündin. „Das Quietschsäuli ist ihr liebstes“, schmunzelt der Rettungshundeführer. Von Bissspuren keine Spur. In der Ecke steht noch eine zweite Tasche. Die packt der Berner, wenn er in seiner zweiten REDOG-Funktion aufbricht. Iwan Kobi ist auch Spezialist für Technische Ortung.

Zur gleichen Zeit an einem andern Ort in der Schweiz. Dominique Peter inspiziert sein Equipment. Vier Drohnen, die Wärmebildkamera, Videobrillen, iPad, Akkus, Notstromgenerator, Benzinkanister, Feldstecher, Thermometer für Drohnen, Wärmepads. Dominique Peter ist professioneller Drohnenpilot, Iwan Kobi professioneller Retter mit Suchhund. Seit einem Jahr arbeiten sie in der Suche nach vermissten Menschen als Pilot und Rettungshundeführer zusammen. Oder als Pilot und Co-Pilot.

Am Einsatzort sind die Rollen klar verteilt. Hundeführer, Search and Rescue-Helferin mit Karte, Kompass und GPS sowie Hund sind ein Team. Drohnenpilot und Co-Pilot das andere. Wer wo sucht, entscheidet die Einsatzleitung. Sie kommen sich nicht in die Quere, sie stören sich auch nicht. „Dara lässt sich nicht irritieren, wenn sie auf der Suche ist. Nichts kann sie ablenken. Auch keine Drohne in der Luft“, erklärt Iwan Kobi. Mit der Nase im Wind versucht sie, den Geruch eines Menschen wahr zu nehmen.

 

Dara lässt sich nicht irritieren, wenn sie auf der Suche ist. Auch nicht durch eine Drohne.

Iwan Kobi, REDOG Hundeführer

Lässt man den Blick über die Weite eines Wander- oder Berggebietes schweifen, das im Ernstfall zum Suchgebiet wird, werden rasch die Vorzüge einer Sicht von oben bewusst. „Drohnen decken in kürzester Zeit ein grosses Suchgebiet ab“, erklärt Dominique Peter. Drohnen sind unentbehrlich, geht es um zerklüftete und damit auch gefährliche Bergregionen. „Denn bei der Suche in schwierigem Gelände geht es zuerst um die Sicherheit der Hunde und Menschen“, ergänzt Iwan Kobi.

 

Drohnen decken in kürzester Zeit ein grosses Suchgebiet ab.

Dominique Peter, Drohnenpilot

Das Suchgebiet kann gezielt eingeteilt werden, weite Felder ohne Baumbestand und schwer zugängliche Gebiete für die Drohnen, Unterholz und Wald für die Hunde. Das spart Zeit, die in der Suche nach Menschen, die vielleicht verletzt oder unterkühlt sind, entscheidend ist. Während Iwan Kobi Dara die Schabracke überstreift und das Bringsel anbringt, testet Dominique Peter in einem ersten Flug den Wind. Das iPad in der Hand, dirigiert er die Drohne routiniert.

Die Drohnen sind zum Outdoor-Spass geworden. Kann sich nun jeder und jede auf die Suche nach Menschen machen? „Für die anspruchsvolle Suche braucht es mehr, als einfach mit einer Drohne herumfliegen zu können“, erklärt Ueli Sager, Präsident des Verbandes ziviler Drohnen. „Wer sich hier engagieren möchte, muss seine Drohne absolut im Griff haben. Was bedeutet, er verfügt über die höchste Lizenz.“

Wer sich hier engagieren möchte, muss seine Drohne absolut im Griff haben.

Ueli Sager, Präsident des Verbandes ziviler Drohnen

Und er muss sich im Einsatz ganz in den Dienst von REDOG stellen. „Wir liefern die nötige Übersicht, bei einem Einsatz geht es nicht um Kunstflüge“, ergänzt Dominique Peter. Wie bei REDOG sind intensive Trainings Voraussetzung und tägliches Üben, um im Ernstfall, wenn die Situation angespannt ist, das Gelände schwierig, die eingeübten Prozesse abrufen zu können. Drohnenpiloten, die mit REDOG zusammenarbeiten, kennen die Risiken auf dem Feld und können mit ihnen umgehen.

An der Seite der Drohnenpiloten stehen die Co-Piloten, die die Kameraaufnahmen der Drohne mit der Videobrille laufend analysieren. Sie sind REDOG-Mitglieder. Denn REDOG bildet seit Jahren Fachleute für die Technische Ortung mit Wärmebildkamera und Nachtsichtgerät aus. „Das Auge muss geschult sein, Silhouetten von liegenden, verletzten Menschen zu erkennen oder Gegenständen, die der Vermisste bei sich getragen haben könnte“, erklärt Iwan Kobi, selbst Ausbildner.

Findet die Drohne eine vermisste Person, entscheidet die Einsatzleitung über die nächsten Schritte der Rettung. Findet der Suchhund, kümmert sich SAR-Helferin oder Helfer um den Gefundenen. Und leistet erste Hilfe, falls nötig. Während Hundeführerin oder Hundeführer der Einsatzleitung die Koordinaten übermittelt und den Gesundheitsstatus schildert.

Joint Ventures sind in der Wirtschaft oft Kooperationen mit dem einzigen Ziel, noch mehr Gewinn aus den Unternehmen zu pressen. Bei der Kooperation von REDOG und dem Verband ziviler Drohnen geht es einzig darum, Menschenleben effizienter zu retten. Denn im Ernstfall zählt jede Minute. Die Technische Ortung von REDOG und die Drohnenpiloten trainieren seit eineinhalb Jahren gemeinsam und stehen auch gemeinsam im Einsatz.

Nur eine Woche nach den ersten Gesprächen traten sie an, zum ersten Test, im Juli 2016. Die Rettungshunde von REDOG und die Drohnenpiloten. Ein erstes gegenseitiges Beschnuppern, das erfolgreich ausfiel. Seither standen sie schon x-mal im gemeinsamen Einsatz. Und haben dabei die Vermissten entweder gefunden oder zumindest vermelden können, sie befänden sich nicht im Suchgebiet. „Wir wollten REDOG weiterentwickeln, und das ist gelungen.“ Zieht Romaine Kuonen, Zentralpräsidentin von REDOG, ein positives Fazit.

 

Wir wollten REDOG weiterentwickeln, und das ist gelungen.

Romaine Kuonen, Zentralpräsidentin REDOG

Nun, die Technik wird sich weiterentwickeln. Besteht nicht die Gefahr, dass die fliegenden Spürhunde die Hunde dereinst ersetzen? Romaine Kuonen schüttelt dezidiert den Kopf. „Das glaube ich nicht, es wird immer die biologische Ortung durch den Hund brauchen.“ Im Wald, bei schlechten Flugwetterbedingungen. Und die Technik sei anfällig. Akkus leeren sich, Bestandteile gehen kaputt. „Die Frage ist nicht, entweder – oder. Sondern: miteinander und ergänzend“, sagt Romaine Kuonen.

Tag und Nacht bereit sein, im Notfall alles stehen und liegen lassen, jahrelange Trainings und Übungseinsätze. Was bringt einen dazu, mitten in der Nacht, wenn das Telefon klingelt, aufzustehen und irgendwohin in der Schweiz zu fahren, wo man noch nie war? Ehrenamtlich, das heisst, man verdient kein Geld damit? „Es schliesst sich ein Kreis“, sinniert Hundeführer Iwan Kobi. Für ihn war stets klar: Mit einem Hund etwas Sinnvolles machen. Die unzähligen Stunden draussen in der Natur sind für den selbstständigen Unternehmer zudem der Ausgleich. Und Dominique Peter, der auch kommerziell mit seiner Drohne fliegt, ergänzt: „Es geht um das Wichtigste überhaupt, um das Leben. Leben zu retten.“

 

Es geht um das Wichtigste überhaupt, um das Leben. Leben zu retten.“

Dominique Peter, Drohnenpilot

Die Reportage erschien in der Februarausgabe 2018 von "Humanité", dem Gönnermagazin des Schweizerischen Roten Kreuzes. REDOG ist eine der Rettungsorganisationen des Schweizerischen Roten Kreuzes.

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