Suchen liegt ihnen im Blut
Hunde sind die besten Spürnasen. Für die Spezialistinnen und Spezialisten der REDOG Vermisstensuche sind sie unentbehrlich. Bis die Vierbeiner einsatzbereit sind, braucht es jahrelanges Training.
Reportage: Simon Hubacher
Bilder: Stefan Tschopp, Stefan Künzi. Titelbild: Stefan Tschopp.
Erschienen im "Tierreport", 2018
Der zweijährige Border Collie mit dem Namen Echap wartet nur noch auf das Kommando. Rebekka von Büren kniet sich neben ihren Hund, weist mit der Hand nach vorne und gibt ihn frei. Blitzschnell springt Echap ins Unterholz, findet die am Boden liegende Übungsperson und erhält von ihr das «Bringsel». Obendrauf gibt es eine kleine Portion aus der Le-Parfait-Tube. Schliesslich hat Echap alles richtig gemacht.
Das «Bringsel» ist ein etwa zehn Zentimeter langes Nylongeflecht und im Ernstfall das wichtigste Kommunikationsinstrument zwischen Mensch und Tier, da dieses bis zu achtzig Meter von der Hundeführerin entfernt die Sucharbeit selbstständig ausführt.
REDOG-Suchhunde im Einsatz tragen das «Bringsel» am Halsband. Wenn sie eine Person oder einen Gegenstand mit menschlicher Geruchsspur finden, nehmen sie es ins Maul und kehren so zur Hundeführerin zurück. Das ist für Rebekka von Büren das Zeichen, den Hund anzuweisen, sie zum Fundort zu bringen. Mit der Übung wird Border Collie Echap spielerisch an dieses Verfahren herangeführt.
Zehn Freiwillige der REDOG Regionalgruppe Bern haben sich an diesem brütend heissen Julisonntag in einem Wald nahe Oberwangen bei Bern eingefunden: vier einsatzfähige Hundeteams für die Vermisstensuche und mehrere in Ausbildung, einige SAR-Helferinnen und Helfer (Search and Rescue) sowie im Umgang mit Karte, Kompass, GPS-Empfänger und Funkgerät geschulte Fachleute, welche die Suchteams im Einsatz unterstützen. «Dank ihnen können sich die Hundeführer voll auf die Suchaufgabe konzentrieren», sagt Karin Böhlen, die mit ihrer Malinois-Hündin Gem ein einsatzfähiges Duo bildet und heute das Training leitet.
Die Geländesuchhunde können in der ganzen Schweiz rund um die Uhr über die REDOG-Notrufnummer angefordert werden, um beispielsweise Menschen mit Demenz aufzuspüren, die beim Spaziergang die Orientierung verloren haben, oder Wandernde, die von einem Ausflug nicht mehr zurückkehren. Für Privatpersonen ist dies kostenlos. REDOG Suchhundeteams gehen auch in den Einsatz, wenn Verdacht auf einen Suizid besteht und eine Person in einem Wald gesucht werden muss. Bei jedem Einsatz arbeitet REDOG eng mit der Polizei und anderen Blaulichtorganisationen zusammen. Regelmässige Trainings garantieren eine reibungslose Zusammenarbeit im Ernstfall. REDOG ist Mitglied der Rettungskette Schweiz und des Schweizerischen Roten Kreuzes sowie Partnerorganisation der Rega und der Alpinen Rettung Schweiz.
Eine ausgeprägte Freude am Suchen ist die Voraussetzung für einen Rettungshund.
Inzwischen sind auch Adrian Blaser mit Chester und Iwan Kobi mit Dara zur Waldhütte zurückgekehrt, die als Übungsbasis dient. Die beiden erfahrenen Hundeführer haben mit ihren Vierbeinern eben einen typischen Suchsektor von anderthalb Quadratkilometern Fläche abgesucht. Das dauert im Normalfall rund anderthalb Stunden. «Wobei wir selber das Tempo bestimmen. Schliesslich kennen wir unsere Hunde sehr gut und spüren, wann sie eine Pause oder etwas zu trinken brauchen», sagt Iwan Kobi.
Für das Training hat es in den Suchgebieten immer Gegenstände oder Figuranten, die es zu finden gilt. Das wird bewusst so gemacht, damit die Hunde ein Erfolgserlebnis haben. Im Ernstfall kann eine Suche ohne Ergebnis enden. Dann wird schon mal improvisiert und ein SAR-Helfer versteckt sich, um den Hund nicht leer ausgehen zu lassen.
Zwei bis drei Jahre dauert es, bis ein Hund zum entscheidenden Einsatztest zugelassen wird. Ein- bis zweimal trainieren pro Woche ist üblich. Die Lernphasen sind spielerisch aufgebaut, sollen die Hunde körperlich wie mental positiv auslasten und ihren natürlichen Trieb, zu suchen und zu apportieren, unterstützen. Deshalb werden nur Hunde zugelassen, die eine ausgeprägte Freude am Suchen zeigen und dies im Eignungstest unter Beweis stellen. Für Wald und Gelände ideal sind mittelgrosse Hunde, etwa aus der Retriever-Familie, Belgische Schäfer oder eben die quirligen Border Collies.
Über Funk lässt Übungsleiterin Karin Böhlen nach Hundeführerin Franziska Mosimann mit ihrem Chesapeake Labrador Anouk rufen: «In voller Montur, bitte.» Franziska Mosimann trägt robuste Wanderschuhe, Funktionsjacke und -hose sowie einen schweren Rucksack mit mehreren Litern Wasser drin. Auf ihren Sucheinsätzen sind Mensch und Tier oft Stunden unterwegs und durchkämmen grosse Gebiete von einigen Quadratkilometern, meist abseits von Wanderwegen oder Waldpfaden. Ohne gute Kondition und Ausdauer geht das nicht.
Die Hunde haben im Einsatz eine orangefarbene Weste an, die sie als REDOG-Suchhunde kennzeichnet und an der ein GPS-Tracker befestigt ist. «Das kleine Gerät dient der Erfolgskontrolle. Dank ihm können wir nachträglich den Weg des Hundes im Suchsektor auf einer Karte anschauen», erklärt Karin Böhlen. «Damit wir sicher sind, tatsächlich alles abgesucht zu haben.»
Vertrauen ist der wichtigste Faktor zwischen Hund und HundeführerIn
Karin Böhlen, Ausbildnerin
Was der wichtigste Faktor im Verhältnis zwischen Hund und HundeführerIn ist? «Vertrauen», sagt Übungsleiterin Karin Böhlen ohne Zögern. Vor allem Vertrauen in den Hund und dass er seine Aufgabe gewissenhaft erledigt, ohne dass ihn die Hundeführerin permanent im Auge hat. Weil die Tiere die Vermisstensuche spielerisch erlernt haben und Schritt für Schritt darauf vorbereitet wurden, muss ihnen nichts befohlen werden. «Sie brennen darauf, loszulegen», sagt Karin Böhlen, «und folgen einfach ihrem Instinkt.»